Comtesse Stasia.

Skizze von T. Szafranski
in: „Lübecker Eisenbahnzeitung” vom 29.11.1893


„Jan!”

Niemand meldete sich. Aufdem riesigen Gutshofe war außer der Gräfin Anastasia Starczynska keine lebende Seele zu erblicken, sofern man nicht etwa das anderthalb Dutzend Hühner, welches sich pickend und gackernd auf einem Dunghaufen bemühte, der in einer entfernten Ecke aufgeschüttet war, zu den Seelen des Rittergutes Podolin zählen wollte.

Comtesse Stasia sah sich rathlos um. Die Mittagssonne lag prall auf dem sandigen Hofe. Die Luft flimmerte vor Hitze und aus dem vereinsamten Ententümpel mit seinem grünlich schleimigen Unrath stiegen moderige Miasmen, welche selbst der absolut nicht verwöhnten kleinen Comtesse unangenehm zu sein schienen: Sie führte ihren Fuchs, einen ungefügen polnischen Wallach, am Zügel aus der anrüchigen Dunstsphäre des „Teiches”, mehr in die Nähe des Herrenhauses. Der Gaul war sehr unruhig. Die Comtesse hatte ihn wieder einmal spottschlecht behandelt und außerdem hätte er drei Schwänze haben müssen, um sich der ungezählten Fliegen zu erwehren, die ihn mit jener Unermüdlichkeit ankitzelten, welche eben die besondere Eigenschaft von Dorffliegen ist. Das Pferd schüttelte immer lebhafter die Mähne, zuckte mit der Haut und schlug mit seinem langen Schweif so verzweifelt um sich, daß die Comtesse ihre Augen mit dem erhobenen Arm schützen mußte.

„Ja—aaan!!”

Alles blieb still. Mit einem leisen Fluche, den ich hier nicht wiedergeben will, weil er sich in der deutschen Sprache, in der man Alles wörtlich zu nehmen gewohnt ist, ungleich häßlicher ausnehmen würde, faßte sie Trense und Kandarre mit den Zähnen und erhob ihren rechten Fuß, um den bis auf das Blatt herabgerutschten Strumpf in Ordnung zu bringen. Kaum aber fühlte der Gaul die Zügel lockerer, als er mit einem tückischen Gewieher erst einen Sprung seitwärts that und dann in gestrecktem Galopp über den Hof jagte.

Die Comtesse ließ nicht los. Bei der ersten Bewegung des Thieres hatte sie in die Zügel gegriffen. Mit einem hellen Schrei, der aber fast wie ein Jauchzer klang, hing sie sich fest und ließ sich von dem in wilder Pace quer über den Hof pretschenden Gaul schleifen. Letzterer schien Neigung zu haben, sich seinen Peinigern, den Hof-Fliegen, einfach zu entziehen. Hart an dem Ententümpel vorüberjagend, bog er plötzlich scharf rechts ab und sprengte in etwas mehr regelmäßiger Gangart dem Hofthore zu.

Dasselbe war geschlossen. Ein elegant gekleideter Herr stemmte sich mit schreckensbleichem Gesicht gegen die breite, aber niedrige Stacketenthür, wohl in der Absicht, das Pferd am Echappiren zu verhindern. Und er war so überzeugt von der Zweckmäßigkeit dieses Eingreifens, daß er auf den schrillen Anruf des jungen Mädchens, das Thor zu öffnen, nicht hörte, vielmehr noch krampfhafter die Flügel der Thür zusammenhielt.

In demselben Augenblick geschah etwas, was ihm das Blut in den Adern erstarren machte. Knapp vor dem Thore hatte die Geschleifte Tempo genommen. Vom Boden abfedernd wie ein Gummiball, saß sie plötzlich rittlings auf dem Pferde und setzte in schneidiger Lançade über den Zaun und den in die Kniee sinkenden unberufenen Portier hinweg.

Während die junge Dame ihrem schäumenden Fuchs noch einen kurzen Galopp gestattete, erhob sich der Herr mit einem consternirten „Alle Wetter!”. Seine Hände zitterten, als er seinen Hut und eine schwarze glanzlederne Mappe an sich nahm, die ihm bei der Affaire entfallen waren.

„Sollte man's für menschenmöglich halten? . . . Dagegen ist ja ein Circus-Voltigeur 'n Rekrut im ersten Jahrgang. Unglaublich, einfach unglaublich! Das muß man gesehen haben — —” Er fand keine Zeit, seine begeisterten Meditationen zu beenden, denn schon hatte das Mädchen das Pferd herumgeworfen und kam in schlankem Trab auf ihn zu. Jetzt erst bemerkte er, welch ein entzückendes Geschöpf diese Reiterin war.

In dem Mädchen wirkte das Vergnügen über das gelungen Kunststück soweit nach, daß es sich der Unweiblichkeit seiner Haltung erst bewußt wurde, als ihm der junge Mann entgegentrat.

„Halt — bitte, bleiben Sie!” Mit ein paar schnellen Handbewegungen winkte sie nachdrücklich ab und ließ dann ihren Fuchs seitwärts courbettiren, um, so gedeckt, ihre namentlich auf der rechten Seite derangirte Toilette etwas in Ordnung zu bringen. Das wollte aber nicht gelingen; der unbequeme Sitz hinderte sie daran.

„Bitt' schön, drehen Sie sich für einen Augenblick um &mdash,”

„Aber, Gnädigste, darf ich Ihnen nicht behilflich sein?”

„Nachher, wenn's nöthig ist, jetzt möchte ich mich erst 'mal anständig hinsetzen, also —”

—   —

Als der junge Mann sich ihr wieder zuwandte, kam sie ihm entgegen, das Pferd am zaume führend. Wenn er vorhin verblüfft war, so war er es jetzt eigentlich noch mehr. Es schien ihm unfaßbar, daß dieses zarte Geschöpf mit den Händen und Füßchen einer größeren Puppe, mit dieser zwar voll entwickelten, aber doch so zerbrechlich scheinenden Figur den grobknochigen polnischen Racker gebändigt hatte. Und jener Sprung erst! Sein Erstaunen mochte sich wohl deutlich in seinen Zügen malen, denn die Comtesse lachte erröthend auf.

„So, nun können Sie mir helfen. Erst das Thor öffnen, damit ich den Razdan loswerde.” Sie plauderte laut und munter, wie um sich über eine Verlegenheit hinwegzuscherzen. „Sehen Sie, sieht mich das Thier nicht so argwöhnisch von der Seite an, als ob es befürchtete, da noch einmal herüber zu müssen? — Nein, bitte, lassen Sie nur, führen werde ich ihn schon selbst. Rufen Sie 'mal „Jan!”, so laut Sie können.”

Der Herr lachte amüsirt auf und rief.

„Das ist garnichts,” sagte die Comtesse, indem sie den Fremden aus den mächtigen schwarzen Augensternen übermüthig anblitzte, „lauter, viel lauter!” Damit klemmte sie sich die Zügel unter den Arm, legte die Hände an den Mund und Beide riefen nun a tempo ein weithinschallendes zweistimmiges „Jan!”

Zuerst nichts. Dann klirrte im ersten Stock des Herrenhauses ein Fenster.

„Stasia, bist Du da?” rief eine tiefe heisere Männerstimme in den Hof hinab. Der Mannn selbst war nicht zu sehen, da eine Reihe alter Linden vor dem Hause die nach dem Hofe gelegenen Fenster völlig verschattete.

„Natürlich bin ich da, Tateczko — wo ist denn schon wieder Jan, diese Hundeseele?”

„Der holt den Niemiec aus Mogilno, das weißt Du doch Töchterchen.” Damit klirrte das Fenster zu.

„Na, dann hilft's nichts,” bemerkte die Comtesse etwas übellaunig, „dann müssen Sie mir wieder helfen. Die Leute sind draußen bei der Ernte. Der einzig Disponible, der Jan, holt einen Herrn von der Bahn, mit dem Papa Geschäfte hat. Uebrigens — —” sie blieb stehen und musterte den Fremden jetzt mit einem seltsamen Ausdruck von Angst, Mißtrauen und Interesse. „Sind Sie — —”

„Regierungsassessor von Hertling, mein gnädiges Fräulein — pardon, daß ich erst jetzt . . . . .”

Die Comtesse beachtete weder die chevalereske Verbeugung des jungen Mannes, noch den interessirten, um nicht zu sagen, innigen Ausdruck, welcher sich immer deutlicher in seinen Zügen ausprägte. Den an den Zügeln zerrenden Razdan mit einem ungeduldigen, heftigen Ruck vermahnend, fragte sie weiter:

„Aus Posen?”

„Aufzuwarten, gnädiges Fräulein, Bevollmächtigter der Ansiedelungs-Commission.”

Das ohnehin blasse Gesichtchen der kleinen Comtesse verfärbte sich vollends. Ein schmerzvoller Zug lagerte sich um den feingeschnittenen Mund und die großen dunklen Augen starrten lichtlos an dem Assessor vorbei ins Leere. Ehe dieser dem peinlichen Schweigen ein Ende machen konnte, hatte sie ihm den Blick wieder zugewandt.

„Weshalb thun Sie mir das?” fragte sie leise, tonlos, fast ohne die Lippen zu bewegen.

„Ich? Sie sehen mich bestürzt —”

„Weshalb Sie, gerade Sie?!”

Diese Frage wäre dem Assessor unverständlich geblieben, wenn sie nicht von einem Blick begleitet gewesen wäre, der ihm die Seelenpein und zugleich noch etwas enthüllte, das ihn veranlaßte, seine heißen Lippen ein-, zweimal auf die Hand des jungen Mädchens zu pressen. Sie entzog ihm die Hand, nicht etwa hastig und gekränkt, sondern zögernd. Dann wies sie stumm nach dem Herrenhause und entfernte sich, den Razdan am Zügel führend, in der Richtung nach den Ställen.

—   —

Der Abend desselben Tages. Es war in der elften Stunde. Während sonst nur das letzte Fenster im linken Flügel um diese Stunde erleuchtet war — und auch nur dann, wenn Graf Wladislaw Starczynski am Tage eine vergebliche Fahrt nach Tremessen, zu Simon Elkan und Sohn, gemacht hatte und der Slachcic das Bedürfniß fühlte, mit sich und einer großbauchigen Karaffe selbstgebrannten Wassers allein zu sein — warfen heute die drei Fenster des Salons im Mittelhaus ein grelles Licht in das Blattwerk der Linden.

Zwei dieser Fenster waren weit geöffnet; in kurzen Pausen wurden zwei Männerstimmen laut, die eine ruhig und sich in rücksichtsvoller Reserve haltend, die andere rauh und polternd. Eben hatte diese Stimme eine wilde zusammenhanglose Tirade beendet. Dann ein Klirren wie von zersplittertem Glas. Darauf wurde ein Stuhl gerückt.

Das junge Mädchen, welches, den Kopf an den brüchigen Stamm der Linde gelehnt, zu den Fenstern emporstarrte, umklammerte den Baum mit beiden Armen. Jetzt mußte etwas Furchtbares geschehen. Sie hatte jedes Wort gehört, das der Vater dem Deutschen gesagt. Sie hörte das Stuhlrücken und sah im Geiste wie sich der blonde Mann erhob und — —

Das Herz schlug ihr bis in den Hals hinein; sie riß die obersten Knöpfe ihrer russischen Bluse auf und würgte an einem Schrei, der sie zu ersticken drohte.

Nichts.

Endlich — nach Sekunden des Schweigens, die sie wie einen physischen Schmerz empfunden hatte, hörte sie die Stimme des Assessors, gelassen wie vordem, aber doch von einer Erregung durchzittert, die sie begriff und die ihre Nerven bis zum Wahnsinn anspannte.

„Ich habe hier, Herr Graf, kein Recht, Ihnen auseinanderzusetzen, welchen Formen ich gesellschaftlich zu begegnen gewohnt bin. Ich gestatte mir nur, Ihnen beiläufig zu bemerken, daß die von Ihnen beliebten durchaus davon abweichen. Sie werden begreifen daß ich es bedaure, über die für meine amtliche Funktion nöthige Zeit hinaus von Ihrer — wie soll ich sagen — Gastfreundschaft Gebrauch gemacht zu haben. Ob mich diesbezüglich eine Schuld trifft und wie dieselbe zu sühnen ist, liegt nicht mehr in meiner Entscheidung. Ebenso vermag ich Ihnen, Herr Graf” — hier hob sich die Stimme des Assessors zu einem so kalten, schneidenden Ton, daß die angstvoll Lauschende erbebte und sich noch fester an den Stamm lehnte — „nicht zu sagen, ob man Ihnen die Erregung, in der Sie sich befinden, als mildernden Umstand anrechnen wird bei der Beurtheilung dessen, was ich als preußischer Beamter von Ihnen zu hören das Unglück hatte.”

Nach einer kleinen Pause fuhr der Assessor in völlig verändertem Tone fort:

„Ich ersuche Sie nunmehr, Herr Graf, um die Unterzeichnung des Formulars, das ich Ihnen hiermit zum letzten Male vorlege, mit dem Bemerken allerdings, daß, wenn mich nicht bindende Instruktionen verpflichteten, diese Urkunde vollzogen mitzunehmen, ich kaum noch einen Anlaß zu weiteren Verhandlungen mit Ihnen hätte.

—   —   —   —

Ich danke Ihnen.”

Dann hörte die Comtesse ein Zusammenlegen von Papieren, ein gemessenes Wort der Empfehlung und eine Thür, die ins Schloß fiel; und dann —

Da oben ließ ein alter Mann sein Haupt schwer auf die Tischplatte fallen und weinte laut, herzbrechend um das Stück Erde, das vor wenigen Minuten noch ihm gehört.

Wenn das Mädchen unbewußt bis dahin ihre Sympathien dem jungen Manne zugewendet hatte, wenn sich in die Angst um den Vater ein seltsamer Zorn gemischt hatte über die rücksichtslose Art der Behandlung des Assessors — jetzt war all' das verflogen. Sie hörte nur das furchtbare Weinen da oben. Mit einem heiseren Schrei warf sie die Arme empor und tastete mit gespreizten Fingen an der Mauer des Hauses hinauf, so weit sie reichen konnte. Ihr war, als müßte sie, ohne die Zeit für den Umweg über die Treppen zu verlieren, das Haupt ihres Vaters an ihr Herz pressen, ihm die Wangen streicheln und ihn trösten mit einem Fluche gegen den Niemiec.

So, den Kopf zurückgeworfen und die brennenden Augen auf die Fenster gerichtet, stand sie noch, als sich die Thür öffnete und der Assessor in Begleitung eines Bedienten auf den Hof trat. Er sah sie nicht. Den Kragen seines modischen Ueberziehers aufschlagend, lehnte er, auf die Frage des Dieners, ob er vorfahren oder ihn zu Pferde begleiten solle, Alles ab.

„Aber is serr dunkel, Herrchen,” wagte der trinkgelkdlüsterne Jan zu repliziren.

„Gleichviel, ich werde gehen; Hier —” damit drückte ihm der Assessor ein Geldstück in die Hand und wandte sich schnell ab, um sich den üblichen überschwänglichen Danksagungen und seinen Aermel dem Kußbereich des schmierigen Polen zu entziehen.

Da legte sich eine Hand auf seine Schulter.

„Sie, mein Fräulein — so spät?” Er war freudig überrascht, mehr als er unter dem Eindrucke der letzten Unterredung mit dem Grafen zu erkennen geben, ja sich selbst gestehen mochte. Wie märchenhaft schön war diese kleine Wilde; und jetzt schöner denn vorhin. So sehr ihm das Kunstreiterstückchen der Komtesse imponirt hatte, er war doch zu sehr Kulturmensch, um einen leisen inneren Protest gegen das Unweibliche des Auftritts unterdrücken zu können. Wie anders jetzt.

Die kleine heiße Hand war von seiner Schulter in seine Hand geschlüpft. Und das Mädchen selbst war so nahe an ihn herangetreten, daß es fast schien, als schmiegte sie sich an ihn. Er sah den matten Schimmer der dunklen Augen, er fühlte den erregenden Hauch ihres Athems und — konnte nicht anders, als die Arme um sie schlingen und das bezaubernde Wesen an sich pressen. Ein Taumel hatte ihn erfaßt, der wohl nicht zum mindesten auch durch die nervöse Spannung der letzten Stunde hervorgerufen war. Er beachtete nicht die Gegenwart des Bedienten, nicht das jähe Auffahren der kleinen Comtesse, ihr Zurückschrecken, als er den Arm um ihre Taille legte.

Es giebt eben Moment, in denen man die wahnwitzigsten Dinge begeht, nicht in dem Affekt einer augenblicklichen Unzurechnungsfähigkeit, sondern bewußt und lediglich unter dem zwingenden Einfluß eines besonderen Zusammenwirkens psychischer Imponderabilien.

Und sie ließ sich küssen. Willenlos hing sie in seinen Armen — scheinbar willenlos, denn nachdem sie den ersten Impuls, den Niemiec, den Räuber ihrer Heimath, von sich zu stoßen, überwunden hatte, stieg ein düsterer Gedanke in ihr auf, dem sie Zeit lassen mußte, zu einem Plane auszureifen. Während der blonde Fremdling seine Lippen immer und immer wieder auf ihren halbgeöffneten Mund drückte und ihr Körper unter diesen wilden Küssen zusammenschauerte, starrten ihre unnatürlich vergrößerten Augen mit einem irren und dabei gespannt nachdenklichen Ausdruck zu dem tiefdunklen Himmel empor. Die seltsame Doppelnatur des Polenthums verkörperten sich in diesem Wesen in seiner ganzen Unbegreiflichkeit.

Endlich entwand sich die Comtesse den Armen des anscheinend ganz Weltentrückten. Sie hatte gefunden, was sie gesucht. Mit etwas verschleierter, aber sonst ruhiger Stimme wandte sie sich an den Bedienten, welcher inzwischen einige Schritte zurückgetreten war und — wohl zur Schärfung seiner Urtheilskraft gegenüber dem Ungewöhnlichen, das sich da vor seinen Augen abspielte — wiederholt einer breiten gerifften Flasche zugesprochen hatte, die er verstohlen aus dem Stiefelschaft hervorgeholt.

„Leg' dem Razdan den Herrensattel auf und mache die Ilka für mich zurecht. Ich werde den Herrn zur Stadt begleiten.”

„Der Razdan ist gesattelt, Hochmögende.”

„Dann vorführen — sofort.”

„Und die Ilka, Hochmögende?”

„Geh' zum Satan!”

Jan entfernte sich rasch, obwohl er nicht recht wußte, ob er beim Satan die Wünsche der Comtesse bezüglich der Ilka auch wirklich genauer erfahren würde.

„Sie sollen nicht zu Fuß zur Stadt, Herr, Sie nehmen den Razdan, ich bitte Sie.” Und wieder schob sich ihre Hand in die seinige, wieder trat sie ihm so nahe, daß er ihre einschmeichelnde leise Bitte nicht nur hörte, sondern in warmem Hauche auf seinem Antlitz fühlte.

Des jungen Mannes hatte sich nach der leidenschaftlichen Erregung eine seelische Widerstandslosigkeit, eine Art apathischer Abspannung bemächtigt. Er drückte nur leicht und flüchtig die kleine Hand und bestieg ohne ein Wort des Abschieds den Razdan, welchen Jan eben vorgeführt. Ohne sich umzusehen ritt er davon. Aber ehe er noch die Hälfte des Weges zur Hofpforte zurückgelegt, sah er die Comtesse in tollem Laufe an sich vorbei dem Thore zueilen. An der Bewegung ihrer wehenden Gewänder erkannte er, daß sie die beiden Thorflügel zusammenholte. Der Assessor hielt das Pferd an, welches bei dem jähen Vorbeieilen der Comtesse gescheut hatte und andauernd in Unruhe war.

„Wenn Sie Muth haben, so springen Sie!” rief sie ihm mit völlig veränderter, laut und metallisch hart klingender Stimme zu.

Ohne sich auch nur zu besinnen, setzte er sich im Sattel fest, bearbeitete die Flanken des sich aufbäumenden Razdan mit seinen Absätzen und sprengte dem Thore zu.

In dem Augenblick aber, da der schnaubende Gaul zum Sprunge absetzte, warf die Comtesse mit einem gellenden Schrei die beiden Flügel auf, streckte die Arme empor und brach in demselben Moment unter dem stürzenden Razdan zusammen.

So hatte sie es gewollt.

— — —